Lungomare Residency 2020: Orizzontale
Im Jahr 2020 hat Lungomare für seine Langzeit Künstlerresidenz das Architekturkollektiv orizzontale aus Rom eingeladen. Das Architekturkollektiv beschäftigt sich in diesem Jahr mit dem öffentlichen Raum der Stadt Bozen. Die Corona-Epidemie versetzt diesen Raum in eine vorübergehende Pause und regelt akribisch seine Zugangsbestimmungen. Wir möchten diesen Zeitpunkt nutzen und über den öffentlichen Raum – der für unser gemeinsames Leben und unsere Auseinandersetzung so wichtig ist – diskutieren und neue Szenarien für seine Zukunft entwickeln.
Die Arbeit von orizzontale bewegt sich zwischen Architektur, Landschaftsplanung, Kunst im öffentlichen Raum und der Herstellung von selbstgebauten Möbel für den öffentlichen Raum. Das Kollektiv gestaltet Projekte, die ein besonderes Augenmerk auf die Interaktion zwischen Bewohnern und Bewohnerinnen und ihren städtischen Gemeinschaftsgütern legt.
Lungomare
Als Auftakt zur Künstlerresidenz 2020 haben Angelika Burtscher und Daniele Lupo von Lungomare mit den Architektinnen Margherita Manfra und Nasrin Mohiti Asli am 29. Juni 2020 ein Gespräch zur aktuellen Kondition des öffentlichen Raumes während der Corona-Epidemie geführt.
Sie können das Gespräch als Video oder als Audiospur sehen und hören.
Sprache: italienisch
En plein air.
Der Auftakt der Künstlerresidenz mit orizzontale 2020 in Lungomare kennzeichneten drei öffentliche Akte. Anhand von drei praktischen Übungen wurden die öffentlichen Räume der Stadt Bozen erforscht und neu bewohnt.
Der Schock der Pandemie hat uns temporär gezähmt und uns in einen Status der Pseudo-Gefangenschaft versetzt. Der öffentliche Raum wurde in Pause versetzt und so auch die Möglichkeit ihn zu nutzen, zu bewohnen und ihn als sozialen Begegnungsort wahrzunehmen.
Seit einigen Wochen betreten und begegnen wir uns in den öffentlichen Räumen wieder und koexistieren mit seinen neuen Gesetzen, die Ein- und Ausschlussmechanismen regulieren. Die Gesetze sind dazu da, um physische und räumliche Grenzen zu ziehen und unsere Verhaltensweisen zu kontrollieren. Mithilfe von Absperrbänder werden öffentliche Räume der Nutzung entzogen und Bodenmuster bestimmen unsere Bewegungen und unsere “Schutzzonen”.
Nun ist der Zeitpunkt da, um unsere Gedanken und unser Handeln zu aktivieren, wir möchten die Schwelle überschreiten und uns aus unserer Komfort-Zone hinaus bewegen. Wir möchten das, was uns umgibt, neu bewohnen und das Recht auf den Außenraum wahrnehmen.
Begrenzter Raum.
Schutz oder Ausschluss?
20.06.2020 / 11.00 – 13.00 Uhr / Cagliaristrasse
Im ersten öffentlichen Akt haben wir Wege gesucht, um unserer Gefangenschaft zu entkommen und geben einer begrenzten Umgebung eine Gestalt. Mit Signalbändern wurde ein Begegnungsraum geschaffen, um über Grenzen als Zonen des Schutzes und des Ausschlusses nachzudenken.
Freiraum.
Möglichkeit oder Zurückweisung?
20.06.20 / 16.00 – 18.00 / Alexander Langer Platz (Talferwiese)
Während des zweiten öffentlichen Aktes reflektierten wir über Beziehungen, welche die Stadt Bozen fördert und zulässt. Wir haben mit den Distanzregeln und mit Instrumenten gespielt, um den Raum zu vermessen und (grafische) Linien zu ziehen. Wie können wir miteinander interagieren? In welchen Räumen der Stadt können wir Kind sein?
mit OfficineVispa
Familiärer oder verwilderter Raum.
Gibt es ein Gleichgewicht?
20.06.20 / 21.00 – 22.30 / Universität Platz
Der letzte Akt stellte (Wunsch)Fragen an die Stadt Bozen und ihre Bewohner*innen und produzierte eine Serie von (Wunsch)Bildern. Die gesammelten Fragmente sind eine Sammlung von Eindrücken, welche die Stadtbewohner*innen mit orizzontale geteilt haben. Was für Bilder gibt es von der Stadt Bozen? Welche Bilder müssen erst entstehen?
Im Juni 2020, als orizzontale nach dem Lockdown die Stadt Bozen durchquerte, vor Ort recherchierte und ExpertInnen traf, entstand sehr bald der Wunsch, den öffentlichen Raum wieder zu beleben und Instrumente für kollektive Handlungen zu gestalten.
Co-Carts sind Fahrzeuge für die Gemeinschaft. Sie können an das Fahrrad angehängt werden und ihre Form und Funktion verändern den Stadtraum. Co-Carts sind Pop-up-Fahrzeuge, um in Synergie miteinander und mit dem Kontext zu treten und die Beziehung zwischen den BewohnerInnen und der Stadt zu verstärken.
Die Co-Carts beinhalten ein eingebautes Megaphon, welches Proteststimmen verstärken kann, einen temporären Tisch, auf dem Ausstellungen und Aktionen stattfinden können, eine Projektionsfläche und Kinoleinwand und ein eingebautes Fernrohr, das zum Teleskop und Kaleidoskop wird. Die Klappen und Flügel der Co-Carts schaffen einen temporären Spielraum und eine Werkstatt.
Die Co-Carts können zukünftig von allen StadtbewohnerInnen ausgeliehen und genutzt werden, es müssen allerdings die grundlegenden Werte geteilt werden, die Lungomare, orizzontale und alle Projektpartner gemeinsam definiert haben:
Co-Carts sind exzentrisch, offen, antirassistisch. Sie schaffen keinen persönlichen Profit. Sie stehen für Inklusivität, dekonstruieren Kategorien und schaffen nicht nur Raum, sondern feiern ihn. Co-Carts fördern die Meinungsfreiheit, die Fahrzeuge sind mehrsprachig, transkulturell, provozieren Dialog, Konfrontation und Reaktion. Co-Carts sind langsam, aber wendig, sie sind gleichzeitig leise und laut, sie sind ein Gegenpol zur Spezifität und Individualität des Autos.
Für weitere Informationen über das Projekt > www.lungomare.org/co-carts
Die Co-Carts werden vom 17. bis 22. Oktober in einer offenen Werkstatt im Garten von Lungomare fertiggestellt.
Aufgrund der vorherrschenden Covid-19 Regelungen sind Veranstaltungen im öffentlichen Raum in Bozen derzeit nicht möglich. Das Festival und somit die Projektpräsentation der Co-Carts – Fahrzeuge für die Gemeinschaft wird auf Frühling 2021 verschoben.
Wir haben die Co-Carts in diesen Wochen gemeinsam geplant und gebaut und möchten die fertiggestellten Co-Carts den StadtbewohnerInnen trotz allem präsentieren: Wir veranstalten am Freitag, 23. Oktober von 17-19 Uhr und am Samstag, 24. Oktober von 15 – 17 Uhr einen test ride in Bozen.
Dabei möchten wir die StadtbewohnerInnen und PassantInnen einladen, Fotos und Videos von den vorbeifahrenden Fahrzeugen zu machen und sie anschließend unter dem Hashtag #cocarts auf Facebook und Instagram zu posten.
(Aktivitäten und Zeiten können aufgrund schlechter Wetterverhältnisse oder geänderter Covid 19 Regelungen variieren)
Freitag 23.10.2020
18 – 21 Uhr
Langer Platz
18 Uhr
Yomer (Künstler, Songwriter und Performer) präsentiert und performt das Co-Carts-Manifest
18.30 Uhr
Präsentation des Residenzprojekts und der Co-Carts mit anschließender Diskussion mit der Architektin und Kuratorin Nina Bassoli (Freie Universität Bozen)
Samstag 24.10.2020
11 – 13 Uhr
Talferbrücke
11 Uhr
Yomer (Künstler, Songwriter und Performer) präsentiert und performt das Co-Carts-Manifest
11.3o Uhr
Poetry Slam in Zusammenarbeit mit Fridays for Future South Tyrol
15 -18 Uhr
Casagrande Platz
15 Uhr
Yomer (Künstler, Singer-Songwriter und Performer) präsentiert und performt das Co-Carts-Manifest
15 – 17 Uhr
Ideensalon und Diskussion über den öffentlichen Raum von Bozen, in Zusammenarbeit mit blufink und Studio Comune (Reservierung ist erforderlich > office@lungomare.org)
15.30 Uhr
Jonglierworkshop mit SLAM Circus in Zusammenarbeit mit Spazio Autogestito 77
16 Uhr
Seed bombs – Workshop in Zusammenarbeit mit Fridays for Future South Tyrol.
Sonntag 25.10.2020
10 Uhr
Co-Carts Parade vom Mazzini Platz zum Sankt Vigil Platz
(auf dem Weg zum Sankt Vigil Platz seedbombs-action im Mignone Park)
11 – 15 Uhr
Sankt Vigilplatz
11 Uhr
Yomer (Künstler, Singer-Songwriter und Performer) präsentiert und performt das Co-Carts-Manifest
11.30 Uhr
SaltoTalk Zusammenarbeit mit salto.bz, mit Nasrin Mohiti Asli (orizzontale), Angelika Burtscher (Lungomare), Xenia Trojer (Officine Vispa), Zeno Oberkofler (Fridays for Future South Tyrol), Spazio Autogestito 77, Fouzia Kinyanui (Mediatorin)
11.30 Uhr
Schneiderei Workshop für Kinder in Zusammenarbeit mit Officine Vispa
11.30 Uhr
ciclOfficina/ Radwerkstatt unter der Leitung von Spazio Autogestito 77
Jetzt und bald
Co-Carts Festival auf Frühling 2021 verschobenÜber Lungomare
Lungomare, 2003 in Bozen gegründeter Kulturverein, versteht sich als ein Projektraum, in dem auf das Bedürfnis und die Notwendigkeit reagiert werden kann, Ideen, Meinungen, Erfahrungen und Differenzen auszutauschen und kulturelle Aktivitäten in ihrem politischen und sozialen Kontext zu erfahren. Lungomare erforscht und erprobt in seinen Projekten das Beziehungsgeflecht zwischen Design, Architektur, Stadtplanung, Kunst und Theorie und präsentiert diese anhand unterschiedlicher Formate: Publikumsgespräche, Symposien, Publikationen, Ausstellungen und Interventionen im öffentlichen Raum. Sie sind darauf ausgerichtet, in die kulturellen und sozio-politischen Prozesse des von Lungomare bespielten Territoriumseinzugreifen. Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten von Lungomare auf Projekte langfristiger Residencies: Die Gäste von Lungomare sind eingeladen, sich im und mit dem Kontext Südtirol auseinander zu setzen und in diesem zu agieren. Die Aktivitäten von Lungomare sind an folgenden drei Prinzipien ausgerichtet: eine spezifische Aufmerksamkeit für das Umfeld, in dem die Projekte durchgeführt werden, der transdisziplinäre Zugang, der sie kennzeichnet und die Reflexion über die Rolle von Lungomare als Kulturinstitution im Kontext seines bespielten Ortsgebietes.
ChronologieTerritorium
Lungomare befindet sich am Ortsrand von Bozen, der Hauptstadt Südtirols und versucht die Bezüglichkeiten zu seinem Umfeld anschaulich zu machen, indem es seine verändernden Dynamiken thematisiert. Bozen ist durch eine Mischung dichter Wohngebiete und ausgedehnter Grünflächen charakterisiert. Letztere werden weitgehend landwirtschaftlich genutzt und durchdringen vielerorts und bis ins Zentrum das urbane Stadtgebiet, was der Stadt eine landschaftlich pittoreske und besondere Note verleiht. Die es umringenden Berge tragen ebenso zum hohen touristischen Image der Stadt Bozen und seiner Umgebung bei und sind unter anderem der Grund, warum die Region wirtschaftlich vor allem durch seinen Tourismus boomt. Die demografische Struktur der Stadt ist seit geraumer Zeit durch das Zusammenleben zweier Bevölkerungsgruppen, der deutsch- und der italienischsprachigen geprägt. Die soziale und demografische Zusammensetzung der Bevölkerung ist heute im Wandel. Migranten auch aus nichteuropäischen Ländern lassen sich hier nieder oder durchqueren die Region, zum Teil auf der Suche nach politischem Asyl