Hure oder Heilige - Frau sein in Italien

Buchgestaltung und Kuration einer Wanderausstellung zu den Widersprüchen des italienischen Frauenbildes

Das Buch »Hure oder Heilige — Frau sein in Italien« (Verlag Edition Raetia) und die gleichnamige Ausstellung zeigt die Widersprüche des italienischen Frauenbildes auf und erzählt vom konservativen Rollenverständnis und einem neu aufkommenden Feminismus in einem Land, in dem die Mutter als Ikone verehrt und zugleich alle drei Tage eine Frau, meist von ihrem Partner, getötet wird. Inspiriert von den sieben Todsünden und ihren Antithesen, die den Ausgangspunkt für die künstlerisch-dokumentarische Reflexion bilden, spüren die Journalistin Barbara Bachmann und die Fotografin Franziska Gilli in Bild und Text einer Frage nach: Was bedeutet es, im heutigen Italien eine Frau zu sein?

Buchgestaltung

Der Versuch der Gleichstellung eines Paares während der Covid-19-Pandemie, eine junge Frau und ihr Kontrolldrang über den eigenen Körper, eine Mutter und ihre gewaltvollen Erfahrungen bei der Geburt, elf Männer und ihr persönliches Frauenbild … Die Protagonist:innen des Buches bilden ein weites Spektrum von Meinungen ab und so unterschiedlich die Perspektiven sind, die eingenommen werden, so sind auch die Kapitel gestalterisch immer neu gedacht, das Design reagiert sensibel auf den komplexen Inhalt und eint diesen doch zu einer Gesamtheit. Vier Rottöne, vom warmen Orange bis zum kräftigen Bordeaux, zuweilen großflächig, dann zart eingesetzt, transportieren Emotionen, die von Wut und Leid, bis hin zu Kraft und Ausdauer reichen. Die Dualität des provokativ gewählten Titels, der auf die überholte Einordnung von Frauen in „gut“ und „böse“ Bezug nimmt, wird auf den Trennseiten der Kapitel weitergeführt. Die Sünden und Tugenden überschreiben sich dort jedoch selbst, löschen sich zuweilen aus und bleiben doch lesbar – das Bemühen, sich von stereotypen Rollenbildern zu befreien ist ein anhaltender Kampf, den Feminist:innen in Italien und weltweit bis heute ausfechten müssen.

 

Das Buch »Hure oder Heilige — Frau sein in Italien« von Fotografin Franziska Gilli und Reporterin Barbara Bachmann ist beim Deutschen Fotobuchpreis 2021/22 in der Kategorie »Dokumentarisch-Journalistischer Fotobildband« mit Silber (Shortlist) ausgezeichnet worden. Das Buch wird im Laufe des Jahres 2022 an unterschiedlichen Orten und Festivals präsentiert, z.B. Forum für Fotografie Köln; Frankfurter Buchmesse; Biblioteca Zara in Mailand; Mantova, Biennale della Fotografia Femminile; Innsbruck, Internationales Journalismusfest, Hamburg, Freelens Galerie.

Ausstellungsdesign

Anschließend an das Buch ist auch die gleichnamige Wanderausstellung »Hure oder Heilige — Frau sein in Italien« entstanden, sie wurde von Lupo Burtscher kuratiert und gestaltet.

 

Die Ausstellung visualisiert Auszüge aus den sieben Kapitel des Buches. Die Buchbeiträge werden räumlich übersetzt und erzählen mittels unterschiedlicher Formate die vielseitigen Inhalte: Eine Wandtapete und gedruckte Fotos reflektieren die Medienwelt Italiens, Fotos und Texte geben als vielstimmige Collage einen Einblick in Familienwelten, ein Endlosbanner unterstreicht die Tragik der Frauenmorde, großformatige Porträts erzählen Lebensgeschichten und Protestfahnen werden zu ständigen Begleiterinnen der Ausstellungsbesucher:innen. Wie das Buch erzählt auch die Ausstellung von vielen verschiedenen Erfahrungen und repräsentiert ein breites Spektrum an Meinungen und Perspektiven.

Die Ausstellung befasst sich mit den Ursachen und Folgen des Frauenbildes, der Dominanz der katholischen Kirche, dem Zeitalter des Feminismus, dem Einfluss des Unterhaltungsfernsehens und der Geschichte einer Mutter und ihrer Gewalterfahrung während der Geburt. Auch zeigt die Ausstellung Momente aus dem anhaltenden Kampf vieler Feminist:innen in Italien und auf der ganzen Welt, um endlich alle Rechte für ein gleichberechtigtes Leben aller Geschlechter zu erreichen.

 

Die Ausstellung »Hure oder Heilige — Frau sein in Italien« formt einen fordernden und vielstimmigen Raum, der auch zum Ort des Gesprächs und der Reflexion wird. Als Wanderausstellung gedacht, sind alle Raumelemente mobil oder reproduzierbar und können sich einfach den räumlichen Gegebenheiten der Institutionen anpassen.
2022 wird die Wanderausstellung in der Freelens Galerie Hamburg und in der GAF Galerie in Hannover gezeigt.

 

Gestaltet von Lupo Burtscher. Das gesamte Projekt ist auf der Archivseite zu finden.

Jahr

2021 – ongoing

Team

Angelika Burtscher, Linsey Dolleman, Daniele Lupo, Victoria Preuer

Fotodokumentation

Franziska Gilli, Luca Meneghel

Produktion der Ausstellung

Foto Forum