Gib mir ein Ding von dir
Bringen Sie uns eine Habseligkeit – tragbar und kostbar soll sie sein! Mit diesem Satz lädt Lungomare ihre Besucher ein, „Dinge“ abzugeben, an denen ein bisschen Herzblut dran hängt, und es auch ein bisschen weh tut, wenn sie abgegeben werden müssen!
„Gib mir ein Ding von dir“ ist ein Projekt, das sich mit den persönlichen Alltagsrelikten unserer Gesellschaft beschäftigt. Die uns umgebenden, übrig gebliebenen Dinge, spiegeln unsere Befindlichkeiten. Der Versuch sich von ihnen zu trennen, scheitert an der Dauerhaftigkeit des Gegenständlichen. Für Ruth Geiersberger sind Dinge wie Stellvertreter für Lebensabschnitte, Lebenszeit, Lebenssinn, Lebensqualität, Lebens-Zeit-Brühwürfel. Sie konservieren und komprimieren Erinnerungen.
Die Besucher der Galerie werden aufgefordert, Dinge zur Verfügung zu stellen, die noch einen Wert haben und bei denen es ein bisschen „weh“ tut, sie abzugeben. Es werden „Habseligkeiten“ angenommen, die Sehnsuchtsträger waren und eine Wertigkeit hatten oder noch haben. Die Galerie wird für die folgenden 4 Tage zur Sammelstelle von benutzten, wichtigen, notwendigen, wertvollen oder schönen Gegenständen, die vom Galeriebesucher gebracht und für die performative Verrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Jeder Besucher erhält dafür ein Zertifikat, das als Eintrittskarte fungiert, und ihm erlaubt, am letzten Tag ein anderes Ding einzutauschen; das Gebrachte jedoch kann er damit nicht wieder abholen!
Die Dinge werden von Ruth Geiersberger und den Gästen in ihrer Beziehung zum Raum permanent in neue Zusammenhänge oder Spannungsfelder gestellt. In einzelnen Kundengesprächen werden die abgegebenen Dinge und deren Geschichten bewertet, kategorisiert, geordnet und betreut. In verschiedenen Leseverrichtungen stellt die Schauspielerin diese Kategorisierung der gebrachten Habseligkeiten vor und bringt sie in Verbindung mit Auszügen aus u.a. „An/Sammlung, An/denken“ von Cornelia Meran, aus „Mülltheorie“ von Michael Thompson, „Der Ringfinger“ von Yoko Ogawa und „Gehen“ von Thomas Bernhard.
Gäste sind der Theologe Don Mario Gretter – er spricht zum Thema „hab!Seligkeiten“ und der Komponist Klaus Janek aus Berlin – er spürt den Klangräumen von Dingen nach.
Lungomare
Eine Fläche wird durch 4 Lautsprecher akustisch eingegrenzt. Die Lautsprecher sind auf Ohrenhöhe des Publikums ausgerichtet. Es wird kein Fokus für das Publikum vorgegeben. Die Lautsprecher sind so positioniert, dass sie den gesamten Raum einschließen. Inside music II steuert jeden der 4 Lautsprecher getrennt an, was einer Simultation urbaner, akustischer Zustände gleichkommt und den Charakter einer Klanglandschaft erhält. Monophone Klangquellen entstehen – die Stereophonie, Quadrophonie ecc. hat nur die Funktion der Ortung monophoner Klangquellen. Das Publikum kann sich im Raum bewegen um dadurch das individuelle Hörerlebnis selbst zu gestalten. Die Musik ist leise und wird mit Kontrabass und Computer live erzeugt.
Autonome Provinz Bozen-Südtirol, die Kulturabteilungen
Fördermitglieder 2007:
Clipart, EOS-Solutions for Business, Finstral, Heinrich Gasser, Parkhotel Laurin, Tecnomag
Jetzt und bald
AUSSTELLUNG :: Binta Diaw :: Collective Practices – A Living Experience of Feeling ListenedÜber Lungomare
Lungomare, 2003 in Bozen gegründeter Kulturverein, versteht sich als ein Projektraum, in dem auf das Bedürfnis und die Notwendigkeit reagiert werden kann, Ideen, Meinungen, Erfahrungen und Differenzen auszutauschen und kulturelle Aktivitäten in ihrem politischen und sozialen Kontext zu erfahren. Lungomare erforscht und erprobt in seinen Projekten das Beziehungsgeflecht zwischen Design, Architektur, Stadtplanung, Kunst und Theorie und präsentiert diese anhand unterschiedlicher Formate: Publikumsgespräche, Symposien, Publikationen, Ausstellungen und Interventionen im öffentlichen Raum. Sie sind darauf ausgerichtet, in die kulturellen und sozio-politischen Prozesse des von Lungomare bespielten Territoriumseinzugreifen. Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten von Lungomare auf Projekte langfristiger Residencies: Die Gäste von Lungomare sind eingeladen, sich im und mit dem Kontext Südtirol auseinander zu setzen und in diesem zu agieren. Die Aktivitäten von Lungomare sind an folgenden drei Prinzipien ausgerichtet: eine spezifische Aufmerksamkeit für das Umfeld, in dem die Projekte durchgeführt werden, der transdisziplinäre Zugang, der sie kennzeichnet und die Reflexion über die Rolle von Lungomare als Kulturinstitution im Kontext seines bespielten Ortsgebietes.
ChronologieTerritorium
Lungomare befindet sich am Ortsrand von Bozen, der Hauptstadt Südtirols und versucht die Bezüglichkeiten zu seinem Umfeld anschaulich zu machen, indem es seine verändernden Dynamiken thematisiert. Bozen ist durch eine Mischung dichter Wohngebiete und ausgedehnter Grünflächen charakterisiert. Letztere werden weitgehend landwirtschaftlich genutzt und durchdringen vielerorts und bis ins Zentrum das urbane Stadtgebiet, was der Stadt eine landschaftlich pittoreske und besondere Note verleiht. Die es umringenden Berge tragen ebenso zum hohen touristischen Image der Stadt Bozen und seiner Umgebung bei und sind unter anderem der Grund, warum die Region wirtschaftlich vor allem durch seinen Tourismus boomt. Die demografische Struktur der Stadt ist seit geraumer Zeit durch das Zusammenleben zweier Bevölkerungsgruppen, der deutsch- und der italienischsprachigen geprägt. Die soziale und demografische Zusammensetzung der Bevölkerung ist heute im Wandel. Migranten auch aus nichteuropäischen Ländern lassen sich hier nieder oder durchqueren die Region, zum Teil auf der Suche nach politischem Asyl