Place it
Erzählorte im öffentlichen Raum der Stadt Bozen
Das Ausstellungsprojekt „Place it“ lädt vier Grafikdesigner nach Bozen ein, um kontextbezogene geopolitische und soziokulturelle Fragestellungen im Rahmen von vier grafischen Interventionen im Stadtraum zu reflektieren. Das Projekt macht vertikale Wandflächen der Stadt Bozen zum Ausstellungsort. „Place it“ soll zudem auf die Relevanz und die Einwirkung visueller Kommunikation in unserer zeitgenössischen Kultur aufmerksam machen.
Das Projekt
„Place it“ bedient sich an Instrumenten der visuellen Kommunikation. Das Projekt interveniert an vier öffentlichen Orten der Stadt, um ihre Geschichte, Gegenwart und Zukunftsblicke gestalterisch zu thematisieren. Als Ausgangspunkt für die Interventionen fungieren bereits existierende Flächen und Gebäude in vier ausgewählten Stadträumen. Diese charakterisieren und beschreiben die architektonische und soziale Struktur der Stadt Bozen: der historische Kern, die Erweiterungszone der 30er Jahre, die Wohnzone erbaut in den 60er bzw. 70er Jahre und die Industriezone.
Ganz bewusst werden für die Ausstellung Gestalter der Disziplin Grafikdesign ausgewählt. Das Grafikdesign und auch die Werbung dienen klar definierten Funktionen, wie die der Erkennbarkeit, der Funktionalität, der Leserlichkeit und der Aussagekraft. Diese stehen wiederum in Verbindung mit der subjektiven Vorstellungskraft des Designers, um für Kunden Lösungsansätze im Bereich der visuellen Kommunikation zu finden. Aber das Grafikdesign steht auch für mehr. In diesem Jahrhundert hat es sich immer mehr zu einer eigenständigen visuellen Sprache entwickelt, die Teil unserer Kultur und Transporteur einer sozialen, politischen und kulturellen Vorstellung geworden ist. „Place it“ verbindet die gesellschaftspolitische Relevanz des Grafikdesigns mit seinen Grundfunktionen, und experimentiert gleichzeitig mit seiner inhaltlichen Aussagekraft, geopolitische und soziokulturelle relevante Themen einer Stadt zu visualisieren.
Im Mittelpunkt des Projektes steht „visuelles Lesen“. place it sind Kommunikationsinterventionen ohne Absender mit einem starken kommunikativen Potential, einen Diskussions- und Reflexionsraum eröffnen zu können. Das Projekt stellt die Botschaft in den Mittelpunkt, knüpft sie an ganz konkrete ortsbezogene Themen der Stadt Bozen an, und vermittelt dabei diese Erzählungen einem breiten Publikum. Vier geladene internationale Grafiker bzw. Grafikkollektive wirken mit einer grafischen Intervention auf vier städtische Orte ein. Die Intervention kann aktiv Kommunikation wie auch passiv die Reflexion über kontextbezogene Inhalte provozieren.
Ein Projekt im Rahmen von „parallelevents to Manifesta7“.
Öffentlicher Raum in Bozen
Lungomare
Manuel Raeder
Manuel Raeder reflektiert gestalterisch mögliche Deutungen von „Freiraum“. Die Designintervention wird zum „reflexiven Design“, eine Herangehensweise die er schon seit mehreren Jahren erprobt und neu definiert hat.
Zäune sind ursprünglich dazu da etwas oder jemanden, drinnen oder draußen zu halten. Sie sind genau das Gegenteil von Offenheit oder einer geöffneten Türe, wo Durchzug und ein Austausch ermöglicht werden kann. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die aktuelle Einwanderungspolitik in Italien und in der EU. Einerseits erklärt man die Grenzen für geöffnet, andererseits werden die Bedingungen für Immigranten immer komplexer und nur schwer ermöglicht man ihnen ein normales Leben.
Manuel Raeder gibt mit seiner Abänderung des Zaunes als halbrundes Element einen Teil der Fassade der Diözese Bozen-Brixen in der Südtirolerstrasse in Bozen wieder, und lässt seine drei-dimensionale Intervention zu einem Kommunikationsträger werden. Dieser gebogene Zaun bildet keine Mauer, sondern ist immer noch durchsehbar. Die Intervention im Stadtraum wird mit verschiedenen Materialien bespielt, und bildet so Muster und Wörter, welche während der Laufzeit des Projektes „Place it“ mehrmals geändert werden. Auch der Ort der Intervention neben dem Busbahnhof ist bewusst gewählt, ein zentraler Ort der Ankunft und Abreise in Bozen.
Luna Maurer und Roel Wouters
„Vorschläge zur Veränderung“ ist eine Übung ohne explizites Ziel, die nur die Tatsache als Leitgedanken trägt, dass es möglich ist, alltägliche Gewohnheiten zu ändern. Einzelbuchstaben formen Wörter und diese werden zu Sätzen. Es handelt sich um einfache Anweisungen, weder radikal, noch politisch gesinnt, die jeder ausprobieren kann, da sie aus dem alltäglichen Leben gegriffen sind. Es sind kleine Denkanstöße, die den Alltag, den Ort, die Herkunft bis hin zur Identität bewusst werden lassen, um diese Punkte kritisch zu überdenken und zu reflektieren. Die zehn Sätze sind beispielhaft und können endlos fortgesetzt werden.
Denn in einem Land, wo man sich seiner Schönheit bewusst ist, sowie seine Traditionen und Kultur stark pflegt, herrscht die Angst vor, diese zu verlieren. Dies führt zu einem gesteigerten, demonstrativen Ausleben der Identität, welche oft mit ein wenig Distanz als gezwungene Starrsinnigkeit betrachtet wird. Mit dieser Übung soll die Angst vor dem Traditions- und Identitätsverlust genommen werden und die Leute sollen zum Umdenken angeregt werden.
Luna Maurer und Roel Wouters: Vorschläge zur Veränderung (in Englisch)
Alexander Egger
Ein Wortspiel in dem sich Sprachen vermischen und Bezugspunkte verändern. Dem Betrachter bieten sich ausgehend von seiner eigenen Perspektive diverse Lesarten, Relationen und kontextuelle Sichtweisen. Ein Versuch einer Flexibilisierung der Standpunkte: Jeder Betrachter findet sich als Teil einer Gruppe wieder, genauso wie er Teil der ausgeschlossenen „anderen“ Gruppe ist. Das Fremde, Neue und Unbekannte ist genauso Teil der eigenen Realität wie das Bekannte und Bewährte. Etablierte defensive Identitätsstrategien, die sich in einer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe und folglich auch in einer Abgrenzung zu den anderen ethnischen Gruppen im Land definieren und erschöpfen, werden durch die Erweiterung und Einbeziehung einer offensichtlichen und sichtbaren zusätzlichen Realität der „Anderen“ (Touristen, Arbeitsmigranten) aufgebrochen.
Die „Ausweitung der Kampfzone“ bringt Verunsicherung, aber auch Dynamik in festgefahrene Standpunkte und in das Geflecht von Beziehung und Ablehnung. Der Anstieg der Komplexität ist als Möglichkeit des Diskurses zu begreifen.
Kasia Korczak / Slavs & Tatars
You say Autonomie, I say autonomia, So if you like Einwanderer and I like immigrante,
you say Integrierung and I say integrazione, I’ll be pro-Einwanderer and be anti-immigrante
Autonomie, autonomia, Integrierung, integrazione, for we know we need each other so we,
let’s call the whole thing off, better call the calling off, off.
Aufgebaut auf dem Liedtext des klassischen Gershwin Songs „Let’s call the whole thing off“, schlägt Slavs und Tatars eine Reinterpretation des Comic-Tracks „Shall We Dance?“, gesungen von Fred Astaire und Ginger Rogers, vor. Die Intervention wird an einer Fassade in der Industriezone, Galileo Galileistrasse in Bozen zu sehen sein. Hier bezieht sich die Auseinandersetzung nicht auf scheinbar unschuldige Worte wie Tomate oder Banane, sondern bedient sich stattdessen Bezeichnungsweisen für Themen, welche Europäer heute wirklich beschäftigen: Immigration, Identität, Selbstbestimmung, etc. Südtirol, als ein Gebiet, welches Erfahrung hat, mit Polemiken dieser Art umzugehen, ist ein idealer Ort für eine öffentliche Bearbeitung dieses Themas, welches oft entgegengesetzt ist, zu den auf gegenseitigem Einverständnis basierenden Methoden der Regierung.
Autonome Provinz Bozen-Südtirol, Kulturabteilungen
Autonome Region Trentino-Südtirol
Stiftung Südtiroler Sparkasse
Stadt Bozen, Kulturamt
Finstral
Sasa
Fördermitglieder 2008:
Parkhotel Laurin, EOS – Solution for Business, Heinrich Gasser
Jetzt und bald
AUSSTELLUNG :: Binta Diaw :: Collective Practices – A Living Experience of Feeling ListenedÜber Lungomare
Lungomare, 2003 in Bozen gegründeter Kulturverein, versteht sich als ein Projektraum, in dem auf das Bedürfnis und die Notwendigkeit reagiert werden kann, Ideen, Meinungen, Erfahrungen und Differenzen auszutauschen und kulturelle Aktivitäten in ihrem politischen und sozialen Kontext zu erfahren. Lungomare erforscht und erprobt in seinen Projekten das Beziehungsgeflecht zwischen Design, Architektur, Stadtplanung, Kunst und Theorie und präsentiert diese anhand unterschiedlicher Formate: Publikumsgespräche, Symposien, Publikationen, Ausstellungen und Interventionen im öffentlichen Raum. Sie sind darauf ausgerichtet, in die kulturellen und sozio-politischen Prozesse des von Lungomare bespielten Territoriumseinzugreifen. Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten von Lungomare auf Projekte langfristiger Residencies: Die Gäste von Lungomare sind eingeladen, sich im und mit dem Kontext Südtirol auseinander zu setzen und in diesem zu agieren. Die Aktivitäten von Lungomare sind an folgenden drei Prinzipien ausgerichtet: eine spezifische Aufmerksamkeit für das Umfeld, in dem die Projekte durchgeführt werden, der transdisziplinäre Zugang, der sie kennzeichnet und die Reflexion über die Rolle von Lungomare als Kulturinstitution im Kontext seines bespielten Ortsgebietes.
ChronologieTerritorium
Lungomare befindet sich am Ortsrand von Bozen, der Hauptstadt Südtirols und versucht die Bezüglichkeiten zu seinem Umfeld anschaulich zu machen, indem es seine verändernden Dynamiken thematisiert. Bozen ist durch eine Mischung dichter Wohngebiete und ausgedehnter Grünflächen charakterisiert. Letztere werden weitgehend landwirtschaftlich genutzt und durchdringen vielerorts und bis ins Zentrum das urbane Stadtgebiet, was der Stadt eine landschaftlich pittoreske und besondere Note verleiht. Die es umringenden Berge tragen ebenso zum hohen touristischen Image der Stadt Bozen und seiner Umgebung bei und sind unter anderem der Grund, warum die Region wirtschaftlich vor allem durch seinen Tourismus boomt. Die demografische Struktur der Stadt ist seit geraumer Zeit durch das Zusammenleben zweier Bevölkerungsgruppen, der deutsch- und der italienischsprachigen geprägt. Die soziale und demografische Zusammensetzung der Bevölkerung ist heute im Wandel. Migranten auch aus nichteuropäischen Ländern lassen sich hier nieder oder durchqueren die Region, zum Teil auf der Suche nach politischem Asyl