Ort

Südtirol

Kuratiert von

Lungomare
Literatur Lana
Neues Institut für Dramatisches Schreiben

Utopie Europa

Wenn sich, in Tagen und Zeiten wie diesen, Ereignisse überschlagen und Entwicklungen so wandeln, dass sie kaum fassbar werden, wird ein Sprechen schwer. Es wird auch schwer, wenn Trauer und Schrecken nicht ablassen von Tagesgeschehen, die unsere Welt beherrschen. Und es wird, zugegeben, noch einmal schwer, wenn Meinungen rasante Debatten und Diskurse anwerfen, als kriegten sie`s bezahlt.
Vielleicht ist aber ein Sprechen doch möglich, sobald es einen offenen Dialog aufsucht, der Fragen aus Denkprozessen heraus entwickelt und gesellschaftlich verankert? Vielleicht hat ein kulturelles Handeln, das die Welt in ihrer politischen Dimension aufsucht, doch eine Dringlichkeit des Sprechens? Vielleicht liegt auch darin ein Akt der gesellschaftlichen Verantwortung?

Das Projekt „Utopie Europa“, eine Initiative von Literatur Lana, Lungomare und NIDS, entwickelt sich als Beitrag der reflexiven Teilnahme an den Fragen und Ordnungen, die sich durch die jüngsten Migrationsbewegungen in Europa neu stellen. Dabei erhebt es keineswegs den Anspruch auf Zurechtweisung, auf Belehrung oder Bekehrung. Viel eher will das Projekt Unsicherheiten und Erfahrungen eines in Umbruch befindlichen Kontinents aufspüren und zu gestalten versuchen, ohne Versprechen auf Lösungen, sondern mit Ausblick auf einen offenen Ausgang, der stets eine Zivilgesellschaft des gegenseitigen Respekts und der Humanität vor Augen hat.

Angeknüpft wird dabei an das Konzept der „Utopie”, das die europäische Geschichte und Kulturgeschichte seit der Antike denkt. Wenn „Utopie” einerseits als Topos der nicht verortbaren Verortung gilt und damit als ständige Möglichkeit des Andersseins und Anderssehens; wenn eine Utopie andererseits die Vision einer besseren Gesellschaft entwirft und damit die Gestaltung von Zukunft im Visier hat, dann proklamieren Utopien, so oder so, einen Abschied von bestehenden Ordnungen. Was aber, wenn Utopien selbst verabschiedet werden, wie es jüngst der Idee Europa droht? Was ist ihr Gegenentwurf? Oder an wen und an welche Weltbilder geben sie die Vorstellung einer besseren Gesellschaft ab? Solche und ähnliche Fragen  wurden durchgespielt, indem sie durch Gespräche und Erzählungen durchexperimentiert wurden und denk- und lebbare Möglichkeiten einer komplexen Gegenwart aufgezeigt wurden.

Eine Plakataktion im März hat den Schwerpunkt zum Thema der Utopie begleitet, das jede der drei Institutionen durch unterschiedliche Aktionen und Veranstaltungen verfolgt und gestaltet hat. Die Plakate haben Begriffe aufgegriffen, die so prägend durch unsere Gegenwart ziehen, dass sie unter ihrer Bedeutungslast auch schon undeutlich gewesen sind. Manchmal sind solche Wörter imstande, einem Erleben erst einen Namen zu geben, und manchmal wiederum lösen sie sich von dem Erleben, zu dem sie gehören, ab und kommen ihm gar nicht mehr bei. Und manche Male ziehen sie ein Denken nach sich, das mit ihnen erst einzieht in eine Gegenwart und plötzlich ein Narrativ wird. Was also stellen Begriffen mit uns und unserer Gesellschaft an? Und wovon erzählen sie, wenn sie in einer Vielfalt der Stimmen und Sprachen zur Rede kommen?

www.utopiaeuropa.info

Pressespiegel