#etwaslaeuftfalsch
Lungomare entwickelte ab November 2020 – in Zusammenarbeit mit Kunst Meran und der Summer School Südtirol – die Kampagne #etwaslaeuftfalsch, welche prägende Narrative der Rolle der Frau* in unserer Gesellschaft reflektierte. Im Tandem gestalteten Künstler*innen, Designer*innen und Autor*innen miteinander in Dialog stehende poetisch-literarisch und künstlerische Plakatkampagnen gegen Gewalt gegen Frauen* für den öffentlichen Raum.
Das thematische Geflecht der Auseinandersetzung umfasste die Gleichberechtigung der Geschlechter, patriarchale Strukturen, festgesetzte stereotype Bilder und Mythen, Schweigekulturen, Mehrfachdiskriminierungen und Intoleranz, prekäre Arbeitsbedingungen von Frauen sowie die alarmierende Zunahme von Femi(ni)ziden, die meist nur das Ende einer längeren Leidensgeschichte psychischer und physischer Gewalt gegen Frauen* darstellen.
Uns alltäglich umgebende öffentliche Räume wurde genutzt und zugleich transformiert, um Diskurse und Reflexionen über dieses uns alle betreffende Themen anzuregen. Denn klar ist, Sexismus, Mehrfachdiskriminierungen und Gewalt gegen Frauen* sind kein Frauen*problem.
Die Plakate, die in ihrer Entstehung von kollaborativen Diskussionen zwischen den Tandems und den Kurator*innen, lokalen Expert*innen und Aktivist*innen begleitet wurden, konnten als visuell-textueller Ausdruck dieses diskursiven Prozesses im öffentlichen Raum Südtirols im Juni und September 2021 und in den sozialen Medien gesehen werden.
Nun wird die Kampagne in andere öffentliche Räume über Südtirol hinaus getragen.
*Die Bezeichnung Frau* bietet die Möglichkeit, dass alle, die sich als Frau identifizieren, sich durch den Begriff Frau repräsentiert sehen können, diejenigen aber, die als Frauen identifiziert werden und mit dieser Identifikation nicht einverstanden sind, sich im * repräsentiert sehen können.
Lungomare
in Zusammenarbeit mit Kunst Meran und der Summer School Südtirol
Die Gestaltung der Plakate gegen Gewalt gegen Frauen* wurde von Dialogen mit Aktivist*innen und Expert*innen begleitet.
In zwei digitalen, diskursiven Workshops Ende März wurden verschiedene Perspektiven zusammengebracht, die in ihrem Zusammenschluss ein komplexes und teilweise schmerzhaftes Bild unserer Gesellschaft zeichneten.
Wie bedingen patriarchale Strukturen vorherrschende Mythen unserer Gesellschaft? Welches Frauen*bild wird schon von frühester Kindheit Jungs und Männern vermittelt und wie bildet dieses einen Nährboden für verschiedene Gewaltformen? Wie können wir diese Bilder “queeren”? Welche performative Wirkung hat eine unreflektierte Verwendung von Sprache? Wie leiden auch Männer unter patriarchalen Strukturen? Wessen Stimmen sind hörbar? Und was bedeutet es, ein farbiger Körper zu sein, der den Raum besetzt?
Durch das Sammeln verschiedener Perspektiven und den entstandenen Diskussionen versuchten wir Themen, Bilder, Sprachen und Narrative, mit denen sich die Plakate künstlerisch und literarisch auseinandersetzten, auszuloten. Diese Räume des gemeinsamen Austauschs wurden in Form von Lesungen, Diskussionen, Performances und Konzerten zwischen Mai und September 2021 in Bozen bei Lungomare, in Meran bei Kunst Meran und an der Summer School Südtirol fortgesetzt.
23.03.2021 / 14.00 – 17.00 Uhr
Monika Hauser (Gründerin und Vorstandsmitglied der Frauenrechtsorganisation medica mondiale)
Armin Bernhard (Professor der Sozialwissenschaft, Mitbegründer des Netzwerkes für Gewaltprävention)
31.03.2021 / 16.00 – 19.00 Uhr
Barbara Bachman & Franziska Gilli (Autorinnen des Buches: Hure oder Heilige – Frau sein in Italien)
Fouzia Wamaitha Kinyanjui (Aktivistin und Feministin; organisiert und koordiniert Sensibilisationsprojekte und Empowerment gegen Rassismus)
Christine Clignon (GEA, Frauenhaus Bozen, Kontaktstelle gegen Gewalt an Frauen)
Insgesamt sind 15 künstlerisch-literarische Plakate entstanden, die verschiedene Aspekte der Gewalt an Frauen* thematisieren.
Die Plakate wurden durch eine erste Plakatierung im Juni und ein zweites Mal im September flächendeckend im öffentlichen Raum Südtirols gezeigt. Insgesamt waren etwa 4000 Plakate großformatig und zweisprachig in der gesamten Provinz zu sehen – in Dörfern und Städten, an Bushaltestellen, Bahnhöfen und Werbeflächen.
Auf der begleitenden Projektwebseite können die unter einer Creative- Commons- Lizenz geschützten Plakate, in verschiedenen Formaten kostenlos heruntergeladen und ausgedruckt werden und so auch über die Landesgrenzen hinaus in andere Regionen gelangen. Zugleich bietet die Webseite weitere Informationen zum Projekt, den Künstler*innen sowie einen multimedialen Fundus, der Essays, Texte und Audios zum Thema enthält.
Die Kampagne #qualcosanonva #etwaslaeuftfalsch gegen Gewalt an Frauen wurde in der Stadt Jesi (Marchen) ab dem 25. November 2021 anlässlich des “Internationalen Tages für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen” geteilt.
Das Kollektiv Pensiero Manifesto ist eine Gruppe von Menschen, die beschlossen haben, den sozialen und kulturellen Kontext, in dem sie leben, kritisch zu lesen, indem sie sich einer grafischen Sprache und eines spezifischen Instruments bedienen: dem Plakat.
Die Mitglieder des Kollektivs kommen aus verschiedenen Bereichen: Grafikdesigner*innen, Künstler*innen, Illustrator*innen, Fotograf*innen, Videofilmer*innen, Anthropolog*innen und Forscher*innen, die alle die gleiche Vision teilen, die das Wort Kommunikation mit dem Konzept der Nützlichkeit verbindet. Sie ergreifen das Wort, um zur Diskussion anzuregen, einen Dialog in Gang zu setzen und die tiefe Verbundenheit zwischen einer Stadt und ihren Bewohner*innen zu betonen.
Das Plakat ist der Ort der Begegnung, eine 70×100 große Membran, in der das Private öffentlich wird, in der das individuelle Denken kollektiv wird.
Die Kampagne wird von einem stetig wachsenden Netzwerk von Partner*innen unterstützt und geteilt:
- Feministisches Infocafé Meran
- Frauenamt der Gemeinde Bozen
- Frauen gegen Gewalt Meran
- Frauenhausdienst Brixen
- Frauenmarsch Südtirol
- Frauenmuseum Meran
- GEA- Frauenhaus Bozen
- Gleichstellungsrätin Südtirol
- Non Una Di Meno Bozen- Bolzano
- Pensiero Manifesto
Autonome Provinz Bozen
Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik
Gemeinde Bozen
Stiftung Sparkasse
Gemeinde Brixen
Jetzt und bald
AUSSTELLUNG :: Binta Diaw :: Collective Practices – A Living Experience of Feeling ListenedÜber Lungomare
Lungomare, 2003 in Bozen gegründeter Kulturverein, versteht sich als ein Projektraum, in dem auf das Bedürfnis und die Notwendigkeit reagiert werden kann, Ideen, Meinungen, Erfahrungen und Differenzen auszutauschen und kulturelle Aktivitäten in ihrem politischen und sozialen Kontext zu erfahren. Lungomare erforscht und erprobt in seinen Projekten das Beziehungsgeflecht zwischen Design, Architektur, Stadtplanung, Kunst und Theorie und präsentiert diese anhand unterschiedlicher Formate: Publikumsgespräche, Symposien, Publikationen, Ausstellungen und Interventionen im öffentlichen Raum. Sie sind darauf ausgerichtet, in die kulturellen und sozio-politischen Prozesse des von Lungomare bespielten Territoriumseinzugreifen. Aktuell konzentrieren sich die Aktivitäten von Lungomare auf Projekte langfristiger Residencies: Die Gäste von Lungomare sind eingeladen, sich im und mit dem Kontext Südtirol auseinander zu setzen und in diesem zu agieren. Die Aktivitäten von Lungomare sind an folgenden drei Prinzipien ausgerichtet: eine spezifische Aufmerksamkeit für das Umfeld, in dem die Projekte durchgeführt werden, der transdisziplinäre Zugang, der sie kennzeichnet und die Reflexion über die Rolle von Lungomare als Kulturinstitution im Kontext seines bespielten Ortsgebietes.
ChronologieTerritorium
Lungomare befindet sich am Ortsrand von Bozen, der Hauptstadt Südtirols und versucht die Bezüglichkeiten zu seinem Umfeld anschaulich zu machen, indem es seine verändernden Dynamiken thematisiert. Bozen ist durch eine Mischung dichter Wohngebiete und ausgedehnter Grünflächen charakterisiert. Letztere werden weitgehend landwirtschaftlich genutzt und durchdringen vielerorts und bis ins Zentrum das urbane Stadtgebiet, was der Stadt eine landschaftlich pittoreske und besondere Note verleiht. Die es umringenden Berge tragen ebenso zum hohen touristischen Image der Stadt Bozen und seiner Umgebung bei und sind unter anderem der Grund, warum die Region wirtschaftlich vor allem durch seinen Tourismus boomt. Die demografische Struktur der Stadt ist seit geraumer Zeit durch das Zusammenleben zweier Bevölkerungsgruppen, der deutsch- und der italienischsprachigen geprägt. Die soziale und demografische Zusammensetzung der Bevölkerung ist heute im Wandel. Migranten auch aus nichteuropäischen Ländern lassen sich hier nieder oder durchqueren die Region, zum Teil auf der Suche nach politischem Asyl